Ist eine Krankschreibung in der Videosprechstunde möglich? Rechtliche Grundlagen und Umsetzung

Die Digitalisierung hat das Gesundheitswesen erheblich verändert und eröffnet neue Wege der Patientenversorgung. Eine bedeutende Neuerung ist die Möglichkeit, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AU) im Rahmen einer Videosprechstunde auszustellen. Seit Einführung entsprechender gesetzlicher Vorgaben können Ärzte unter bestimmten Bedingungen auch aus der Ferne eine Krankschreibung ausstellen.
Die rechtliche Grundlage hierfür bildet der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), der den Rahmen für die telemedizinische Krankschreibung definiert hat. Dabei gelten dieselben diagnostischen Anforderungen wie bei einer persönlichen Untersuchung. Die Videosprechstunde stellt damit eine moderne Alternative dar, die den Patientenkomfort erhöht und zugleich eine qualitativ hochwertige medizinische Betreuung sicherstellt.
Aktuelle Rechtslage zur Krankschreibung per Videosprechstunde
Im Juli 2021 wurde durch den G-BA die Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie (§7) angepasst, um die Ausstellung von Krankschreibungen via Fernbehandlung zu ermöglichen. Demnach dürfen Ärzte bei medizinischer Vertretbarkeit und sicherer Diagnosestellung Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für bis zu sieben Kalendertage ausstellen – vorausgesetzt, der Patient ist bereits bekannt und eine persönliche Untersuchung ist nicht zwingend erforderlich.
Ärzte müssen dabei die gleichen fachlichen Standards und Sorgfaltspflichten einhalten wie in Präsenzsprechstunden. Bei Unsicherheiten oder Verdacht auf schwerwiegende Erkrankungen bleibt eine persönliche Vorstellung in der Praxis obligatorisch, um die Patientensicherheit zu gewährleisten.
Voraussetzungen für die digitale Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Die Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Rahmen einer Videosprechstunde setzt die Einhaltung bestimmter rechtlicher und technischer Standards voraus. Nur so kann eine sichere und qualitativ hochwertige medizinische Versorgung gewährleistet werden, auch wenn die ärztliche Untersuchung aus der Ferne erfolgt.
Grundvoraussetzungen sind unter anderem der Einsatz einer von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zertifizierten und Ende-zu-Ende verschlüsselten Videokonferenzsoftware sowie die eindeutige Identifikation des Patienten, etwa durch Vorzeigen des Personalausweises zu Beginn der Konsultation. Zudem müssen Bild- und Tonqualität ausreichend sein, um eine fachgerechte Diagnosestellung zu ermöglichen. Die vollständige Dokumentation der Behandlung einschließlich der erhobenen Befunde ist ebenfalls erforderlich. Darüber hinaus muss der behandelnde Arzt über eine Berufshaftpflichtversicherung verfügen, die Fernbehandlungen einschließt, und die ausdrückliche Einwilligung des Patienten zur Videosprechstunde vorliegen.

Technische Anforderungen an die Videosprechstunde
Für die Durchführung der Videosprechstunde müssen höchste Sicherheits- und Qualitätsanforderungen erfüllt sein. Dazu zählt die Nutzung eines zertifizierten Systems, das neben der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung auch die Integration in die Telematikinfrastruktur ermöglicht, um einen sicheren Datenaustausch zu gewährleisten.
Essenziell sind eine stabile Internetverbindung, hochauflösende Kameras und hochwertige Audiogeräte, die eine störungsfreie und qualitativ hochwertige Übertragung in Echtzeit sicherstellen. Datenschutz gemäß DSGVO ist verpflichtend, und regelmäßige Software-Updates sind notwendig, um Sicherheitslücken zu schließen. Zudem müssen eingesetzte Systeme eine zuverlässige Patienten-Authentifizierung bieten sowie eine sichere, digitale Dokumentation der Konsultation ermöglichen. Diese technischen Voraussetzungen bilden die Grundlage für eine rechtskonforme und professionelle Telemedizin, die sowohl den Anforderungen von Ärzten als auch Patienten, gerecht wird.

Grenzen und Einschränkungen der Ferndiagnose
Die digitale Transformation im Gesundheitswesen eröffnet viele Chancen, bringt aber auch klare Grenzen für die Ferndiagnose mit sich. Insbesondere bei der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit per Videosprechstunde sind körperliche Untersuchungen oft unerlässlich. Krankheitsbilder wie orthopädische Beschwerden, komplexe Hauterkrankungen oder Zustände, die eine Palpation erfordern, lassen sich aus der Ferne nur unzureichend diagnostizieren.
Komplexe Symptomatiken oder Hinweise auf schwerwiegendere Erkrankungen während der Konsultation stellen weitere Einschränkungen dar. In solchen Fällen ist eine persönliche Vorstellung in der Praxis unverzichtbar. Auch bei Verdacht auf Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten sind die besonderen versicherungsrechtlichen Vorgaben nur vor Ort ausreichend zu erfüllen.
Bei psychischen Erkrankungen erschwert die räumliche Distanz die vollständige Wahrnehmung nonverbaler Signale und körperlicher Symptome. Erste Anzeichen können zwar erkannt werden, doch die Entscheidung über eine persönliche Vorstellung sollte stets individuell unter Berücksichtigung der Krankengeschichte getroffen werden.
Dokumentation und Nachverfolgung bei digitaler Krankschreibung
Für eine rechtskonforme digitale Krankschreibung ist eine sorgfältige und strukturierte Dokumentation aller relevanten Informationen notwendig. Eine lückenlose Erfassung im Rahmen der Videosprechstunde sorgt für rechtliche Absicherung und ermöglicht eine transparente Nachverfolgung des Behandlungsverlaufs.
Eine digitale Dokumentation erleichtert die effiziente Verwaltung der Patientendaten und fügt sich nahtlos in bestehende Praxisabläufe ein. Dadurch entstehen nachvollziehbare und transparente Prozesse, die sowohl für das Praxisteam als auch für Patienten klar ersichtlich sind.
Wichtige Aspekte der Dokumentation umfassen:
- Eindeutige Identifikation des Patienten zu Beginn der Videosprechstunde, inklusive entsprechender Dokumentation
- Detaillierte Erfassung aller Symptome und des aktuellen Gesundheitszustands in der digitalen Patientenakte
- Präzise Aufzeichnung von Zeitpunkt und Dauer der Videokonsultation
- Nachvollziehbare Begründung für die Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
- Vollständige Dokumentation aller verordneten Maßnahmen und Empfehlungen
- Klare Angabe der Dauer der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit
- Separate Vermerke zu Besonderheiten oder Auffälligkeiten während der Konsultation
- Sicherstellung der Einhaltung geltender Datenschutzbestimmungen bei der Dokumentation
Digitale Praxisführung mit medatixx: Videosprechstunden rechtssicher abwickeln
medatixx stellt eine umfassende Praxisverwaltungssoftware bereit, die den Praxisalltag digital unterstützt und administrative Abläufe effizient gestaltet. Für die Durchführung von Videosprechstunden steht ein spezielles Add-On zur Verfügung, das die rechtssichere Abwicklung von Videokonsultationen ermöglicht. Dieses Zusatzmodul sorgt für die automatisierte Dokumentation und gewährleistet die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen, insbesondere bei der Ausstellung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen.
Durch die Kombination der Praxissoftware mit dem Videosprechstunden-Add-On können Ärzte alle relevanten Prozesse von der Terminvergabe bis zur digitalen Signatur der Bescheinigung in einem integrierten System abbilden. Die intuitive Benutzeroberfläche erleichtert die Nutzung und minimiert den organisatorischen Aufwand, sodass sich das Praxisteam stärker auf die Patientenversorgung konzentrieren kann.
Zukunftsperspektiven der digitalen Krankschreibung
Die Entwicklung der Fernbehandlung und der digitalen Krankschreibung eröffnet neue Möglichkeiten für eine effizientere und flexiblere Patientenversorgung. Durch den weiteren Ausbau der technischen Infrastruktur werden Videosprechstunden und die elektronische Dokumentation zunehmend in den Praxisalltag integriert. Künftige Technologien wie künstliche Intelligenz könnten zudem die Analyse von Krankheitsbildern unterstützen und die Qualität der Fernbehandlung verbessern.
Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen werden weiter angepasst, um eine stärkere Akzeptanz und Nutzung der Fernbehandlung zu fördern. Dies ermöglicht optimierte Arbeitsabläufe in Arztpraxen und zugleich eine bessere Erreichbarkeit und Betreuung der Patienten. So kann das Gesundheitssystem den Anforderungen einer modernen Gesellschaft gerecht werden und dabei hohe medizinische Standards sicherstellen.