Interview: Schneller als der RKI-Wochenbericht

Das deutsch-französische AIOLOS-Projekt erkennt und modelliert Infektionen mittels KI. Dr. Mira Grättinger und Prof. Dr. Aimo Kannt vom Fraunhofer-Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie (ITMP) verraten, ob das funktioniert.

Worum genau geht es bei AIOLOS?

Kannt: Es geht um die Erkennung und das Monitoring von Atemwegserkrankungen, auch um die Simulation des Effekts von Eindämmungsmaßnahmen. AIOLOS steht für Artificial Intelligence Tool for Outbreak Detection and Response, und gleichzeitig ist Aiolos ein altgriechischer Windgott, passend zu den über die Luft übertragenen Erregern, um die es uns geht. AIOLOS ist ein Kooperationsprojekt von Sanofi, zwei Fraunhofer-Instituten, der CompuGroup Medical sowie den Unternehmen umlaut/Accenture, Quinten Health und Impact Healthcare.

Welche Datenquellen nutzen Sie?

Grättinger: Möglichst viele, und auch unkonventionelle. Das fängt an mit Datenquellen der Behörden, in Deutschland des Robert Koch-Instituts. Wir nutzen Social-Media- und Google-Anfragen, das virologische Abwassermonitoring, aber auch Daten aus IT-Systemen von Ärztinnen und Ärzten, zum Beispiel Diagnosedaten und Verschreibungen. Dazu kommen Daten aus Apotheken zu Verkäufen nicht verschreibungspflichtiger Medikamente wie Hustensaft. Also wirklich ein breites Spektrum.

Können Sie Epidemien in Deutschland oder in Frankreich besser detektieren?

Kannt: In beiden Ländern gibt es große Defizite bei den Daten. Die Abwasserdaten waren in Frankreich vor allem zu Beginn besser, dafür sind dort die epidemiologischen Daten nicht so einfach zugänglich. In Frankreich wird viel mehr sequenziert, in Deutschland gibt es dafür eine bessere regionale Auflösung der Daten.

Welche KI nutzen Sie für Ihre Modelle? 

Grättinger: Wir nutzen unterschiedliche Modelle. Teilweise sind es Sprachmodelle, bei Google Trends sind es NLP-Modelle, außerdem konventionelle, algorithmusbasierte Modelle für Trendanalysen und Alert-Signale. Durch diese Kombination von Modellen steigt die Robustheit der Analysen, das ist eine wichtige Komponente unseres Projekts.

Und sind Sie damit schneller als der RKI-Wochenbericht?

Kannt: Ja. Bei Bedarf kann das täglich aktualisiert werden, und es gibt Datenpipelines direkt von den Datenquellen in unser Portal.

Wie geht es jetzt weiter?

Grättinger: Wir sind aktuell in Gesprächen mit potenziellen Abnehmern, die Teile der Plattform übernehmen könnten, die WHO zum Beispiel, auch HERA auf europäischer Ebene oder in Deutschland das Bundesministerium für Gesundheit mit seinen nachgeordneten Behörden. Wir haben schon den Eindruck, dass dieses Projekt Diskussionen anstößt. Wie genau wir das dann transferieren, das ist noch offen. Wir werden die Modelle aber gemeinsam mit den Daten anbieten, das eine macht ohne das andere keinen Sinn.<

Die Interviewpartner DR. MIRA GRÄTTINGER und PROF. DR. AIMO KANNT sind am
Fraunhofer-Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie ITMP tätig.