Kolumne: Auf den Knopf gekommen

Was Hemd- und Blusenknöpfe mit einer Ausgabe von stern TV zu tun haben und welche Rolle Praxisprozesse in der Charité dabei spielten, erzählt Dr. Doxx in seiner Kolumne.

Stellen Sie sich vor, Ihre Praxis bekäme eine Hauptrolle in der nächsten Sendung von stern TV auf RTL. Ihr Gesicht ist da zwar artig verpixelt, Ihre Stimme ein bisschen verfremdet. Aber trotzdem tauchen Sie zur Hauptsendezeit im Fernsehen auf, wie Sie mit dynamisch nach vorn geneigtem Kopf an Ihrer MFA vorbeirauschen und rumschimpfen: „Das ist echt ein Laden. Leider ist es mein Laden. So ein Scheiß.“

Würde jetzt kein so ein positives Bild werfen, weder auf Sie noch auf Ihre Praxis. Passiert ist genau das neulich den Kollegen an der Charité, wo drei Journalistinnen mehrere Monate lang als vermeintliche Pflegepraktikantinnen mit versteckter Kamera gefilmt haben. Dabei haben sie – hört, hört – unter anderem einen Pizzaboten gefunden, der eine Pizza in einem Isolierzimmer abstellte, ohne sich den Kittel anzuziehen. Da lacht das Coronavirus und Haemophilus wundert sich. Vor allem aber haben die drei Journalistinnen allerlei überwiegend gerade abwesende Fach- und Stationsärzte dokumentiert, während überwiegend gerade anwesende PJler den „Laden“ mehr schlecht als recht am Laufen hielten. Sie ahnen schon, es handelt sich um operative Fächer. Stationsarbeit? Wo kommen wir denn da hin? Man muss schließlich seine Kataloge vollkriegen.

Uns interessiert hier vor allem, was diese „skandalösen Zustände“ (RTL) in der „sechstbesten Klinik der Welt“ (RTL) für uns ambulante Versorger bedeuten. Auf den ersten Blick nur Gutes, würde man meinen. Wenn Ihnen künftig wieder mal jemand mit dem Hinweis auf „doppelte Facharztschiene“ Ihr Honorar zusammenstreichen will, kontern Sie souverän mit stern TV: Wieso doppelt? Gibt doch gar keine Fachärzte mehr im Krankenhaus.

Der Schönheitsfehler an der ganzen Sendung aus ambulanter Sicht war, dass ausgerechnet ein niedergelassener Ex-Chirurg mit bekannter Neigung zum Versorgungskommunismus als nahezu alleiniger Kronzeuge aufgefahren wurde, um die vermeintlichen Fehler der stationären Kollegen mit Betroffenheitsmiene und Kopfschütteln zu brandmarken. Das ging leider weitgehend schief. Wer sich als, zumal ehemaliger, Niedergelassener dazu aufgerufen fühlt, auf Basis von ein paar Videoschnipseln die Indikation für eine Intensivtherapie oder für eine Bildgebung zu stellen und dann auch noch überheblich rumdoziert, wenn ein junger Noch-nicht-Kollege sich beim Fadenziehen ungeschickt anstellt, der bestätigt schon einige der Klischees, die über uns Niedergelassene so im Umlauf sind. Und wer dann noch bei einem krebskranken Kind, das mangels Betten auf einer anderen Station liegen muss, als Lösungsvorschlag eine zweite Kinder-Onko-Station präsentiert, der verrät auch ohne es zu sagen, dass er aus Zeiten kommt, in denen neben der Praxis noch der Geldspeicher stand.

Aber wir wollen ja was lernen aus der Sendung. PJler allein in der Praxis, das gibt es in der ambulanten Welt jedenfalls nicht, damit können und sollten wir wuchern. Ansonsten: Passen Sie auf, mit wem Sie sich umgeben. Werfen Sie gelegentlich einen unauffälligen Blick auf die Hemd- und Blusenknöpfe Ihrer MFAs. Nein, nicht was Sie denken. In den Knöpfen waren die Kameras, die wochenlang unbemerkt blieben. Falls Sie mal Ihrer benachbarten Uniklinik eins auswischen wollen: Gibt es für 129 Euro inklusive Nachtsichtfunktion im Kalter-Krieg-Fachhandel Ihres Vertrauens. Den Pflegepraktikanteneinsatz können Sie dann übrigens ruhig selbst machen: Das Gesicht seiner Zuweiser kennt so ein typischer Universitätsarzt eh nicht.

Ich danke einmal mehr für die vorzügliche Aufmerksamkeit.