Porträt: Der Technikaffine

von Miriam Mirza
Die Leidenschaft für Medizin entdeckte Dr. Matthias Hempel ganz allein. In seiner Familie existierten bis zu diesem Zeitpunkt keine Berührungspunkte zur Medizin – familiäre Vorbilder fehlten. Heute gibt der Internist und Allgemeinmediziner seine Begeisterung erfolgreich an seine Kinder weiter. Und anstatt nostalgisch alten Zeiten nachzuhängen, zeigt er, wie eine moderne Arztpraxis heute aussehen kann: digital, innovativ und trotzdem mit viel Menschlichkeit. Denn am Ende geht es vor allem um eins – Zeit für Patientinnen, Patienten und sich selbst.
Zwischen Messenger und Patientenakte
Wenn man Hempel zuhört, wird schnell klar: Hier spricht ein Arzt, der keine Angst vor digitalen Veränderungen hat. „Neugierig und offen sein sind heute zwei wichtige Eigenschaften für einen Mediziner“, sagt er mit der Gelassenheit eines Menschen, der Technologie als echten Gewinn erlebt. Seine Praxis in Detmold wirkt beinahe futuristisch, denn digitale Tools und moderne Technik sind hier nicht bloße Spielerei, sondern Alltag. Die elektronische Patientenakte (ePA) beispielsweise begleitet ihn täglich. Was für andere Ärztinnen und Ärzte noch Neuland ist, ist bei ihm längst Realität. „Das ist jetzt nichts Besonderes, nichts Aufregendes mehr“, lächelt er entspannt, „die ePA gehört ganz normal in mein Arzt-Patienten-Gespräch.“
Seine Gemeinschaftspraxis HALEO ist eine der Vorreiterinnen bei der ePA-Nutzung. Schon kurz nach Einführung war das System zuverlässig im Einsatz. Die anfänglichen Stolpersteine nehmen Hempel und seine Kolleginnen und Kollegen gelassen hin. „Natürlich gab es kleine Fehler, aber die Möglichkeiten überwiegen eindeutig“, findet er. Auch die Einführung einer Praxis-App, über die Patientinnen und Patienten mit der Praxis kommunizieren und etwa Bilder austauschen können, hat HALEO gemeistert. Doch Digitalisierung um der Digitalisierung willen? Nichts für ihn. Es geht ihm um Nutzen und Erleichterung im Alltag. Zeit, sagt Hempel, ist das Wertvollste in der Medizin – Zeit für Patientinnen und Patienten, aber auch für das Team, für echte Gespräche, für die menschliche Seite der ärztlichen Arbeit.
Hempel betont, dass Digitalisierung für ihn immer pragmatisch genutzt wird: „Ich digitalisiere nicht, weil es modern ist, sondern weil es mein Leben erleichtert.“ Diese Sichtweise ermöglicht es ihm, neue Technologien kritisch zu hinterfragen, sie aber auch mutig auszuprobieren. So gehört es für ihn selbstverständlich dazu, regelmäßig mit dem ganzen Praxisteam zu reflektieren, was gut läuft und was verbessert werden könnte.
Darüber hinaus setzt Hempel auch auf Flexibilität in der Praxisgestaltung. „Wenn wir neue Technologien implementieren, nehmen wir immer wieder Anpassungen vor, probieren neue Dinge aus und scheuen uns nicht, diese bei Bedarf auch wieder zu verwerfen“, berichtet er. „Wichtig ist, dass wir nicht starr an etwas festhalten, nur weil es einmal eingeführt wurde. Innovation braucht Beweglichkeit und Offenheit.“ Er erzählt lebhaft von den Teammeetings, bei denen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingeladen sind, Vorschläge einzubringen und diese gemeinsam weiterzuentwickeln. Das ist ohne eine gute und vertrauensvolle Arbeitsatmosphäre, die dem Mediziner besonders am Herzen liegt, nicht möglich. „Es ist mir wichtig, dass sich alle in den Erfolg der Praxis einbringen, und das geht nur, wenn auch alle das Gefühl haben, dass ihre Meinung zählt.“

Wenn künstliche Intelligenz ans Telefon geht
Den Nutzen der Digitalisierung sieht der Arzt nicht nur in elektronischen Akten. Ein ganz besonderes Beispiel betrifft ein gängiges Problem in Arztpraxen: das Telefonmanagement. Bei HALEO nimmt der KI-Telefonassistent Paul das Telefon entgegen, triagiert und befreit so das Team von einer extremen Belastung. „Unser Telefon hat ständig geklingelt, Patientinnen und Patienten waren unzufrieden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gestresst. Irgendwann konnte niemand das Klingeln mehr hören“, erinnert sich Hempel. Eine Praxisdelegation sah sich das KI-System in Aktion an, danach gab es „kein Zurück mehr“. Das Resultat? Eine Praxis, in der plötzlich Ruhe herrschte, in der Patientinnen und Patienten nicht mehr wartend in der Warteschleife hängen müssen. „Die Erleichterung war enorm“, berichtet der Arzt zufrieden. Dieses Werkzeug, das zunächst skeptisch betrachtet wurde, entwickelte sich zur echten Killeranwendung, und das Team profitierte in mehrerlei Hinsicht: Der Einsatz von KI brachte nicht nur Ruhe in den Praxisalltag, sondern schenkte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch neue Energie und Freude am Arbeitsplatz.
„„Wir verbringen so viel Zeit in der Praxis, da sollte man sich wohlfühlen.“
Dr. Matthias Hempel
Offene Ohren statt roter Zettel
Was Hempel antreibt, ist nicht Technikverliebtheit, sondern das Bedürfnis, mehr Menschlichkeit in der Medizin zu schaffen. Er verfolgt bewusst eine „sprechende Medizin“ – Gespräche statt Zettelwirtschaft. „Viele Patientinnen und Patienten brauchen keine Pille, sondern jemanden, der zuhört“, betont er. Dass er heute Zeit für genau diese Gespräche hat, verdankt er vor allem den digitalen Hilfsmitteln.
Hempels Technologieoffenheit zeigt sich auch im Team. Tatsächlich gibt es in der Praxis viel Mitsprache. Ideen und Innovationen entstehen oft direkt aus dem Team heraus, denn für den Mediziner sind 32 Köpfe besser als einer. „Nicht jede Idee stammt von mir selbst“, stellt er klar. Außerdem geht Hempel die Dinge gerne pragmatisch an. „Wenn mich etwas stört, versuche ich es zu ändern“, sagt er. Dieses pragmatische Motto hat dazu geführt, dass manche digitale Tools ausprobiert und später auch wieder verworfen wurden – immer mit der Freiheit, Fehler zuzulassen und aus ihnen zu lernen. Dabei legt Hempel großen Wert darauf, eine Arbeitsatmosphäre zu schaffen, die nicht nur produktiv, sondern auch angenehm ist. „Wir verbringen so viel Zeit in der Praxis, da sollte man sich wohlfühlen“, erklärt er.

Zwischen Leidenschaft und Familienerbe
Der Mediziner ist Arzt aus echter Leidenschaft. Geboren wurde er in Hamburg. Nach seinem Abitur 1990 studierte er an der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und der Universität Zürich in der Schweiz bis 1999 Medizin, darauf folgte die Promotion. Danach entschied er sich wegen des guten Rufs für eine Beschäftigung am Klinikum Lippe und arbeitete in dessen Medizinischer Klinik von 2001 bis 2007. Er blieb in Nordrhein-Westfalen, ließ sich 2007 als hausärztlicher Internist in Detmold nieder und gründete mit einem Kollegen die Gemeinschaftspraxis.
Sein Enthusiasmus für seinen Beruf wirkt ansteckend – und offenbar nicht nur auf seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Seine 16-jährigen Zwillinge haben bereits Interesse an einer medizinischen Laufbahn entwickelt, und das ganz ohne väterliches Zutun, wie er betont. „Medizin scheint von allein abzufärben“, lacht er, „obwohl sie sehen, wie viel ich arbeite.“ Es scheint, als wäre er dabei, eine neue Familientradition zu begründen – und das auf mehrere Arten.
Neben der Medizin hat Hempel nämlich noch eine weitere große Liebe: den Handballsport. Einst selbst höherklassig aktiv, betreute er sogar einmal die deutsche Senioren-Nationalmannschaft bei einem Turnier in Japan. Heute ist er in die medizinische Betreuung des Bundesligisten TBV Lemgo involviert. Und auch diese Liebe konnte er weitergeben: An den Handball-Wochenenden begleitet ihn in der Regel die ganze Familie und sitzt mit ihm gemeinsam in der Halle auf den Zuschauerrängen. Die Begeisterung für Sport und Medizin hat sich offensichtlich erfolgreich auf die nächste Generation übertragen, womit Hempel gut leben kann.
Hausärztlich-internistische Gemeinschaftspraxis
In der hausärztlich-internistischen Gemeinschaftspraxis HALEO im nordrhein-westfälischen Detmold arbeiten acht Ärztinnen und Ärzte. Das insgesamt mehr als 30 Personen umfassende Team bietet ein breites Spektrum medizinischer Leistungen, darunter Allgemeinmedizin, Innere Medizin, Diabetologie, Ernährungsmedizin, Sportmedizin, Allergologie, Hypertensiologie und Palliativmedizin. Die Praxis nutzt intensiv digitale Lösungen wie die elektronische Patientenakte (ePA), KI-gestützte Telefonassistenz und digitale Terminverwaltung, um Abläufe zu optimieren und mehr Zeit für Patientinnen und Patienten zu schaffen. HALEO verfolgt einen modernen, teamorientierten Ansatz und gilt als Vorreiterin bei der Digitalisierung hausärztlicher Versorgung.
Der Artikel erschien erstmals am 26. Juni 2025 im x.press 25.3.
Hier können Sie sich die gesamte Ausgabe herunterladen.