Flexible Verbindungen

Eine abgeschottete Insel im Ozean der medizinischen Versorgung – das war zwei Jahrzehnte lang Vision und Realität der Arztpraxis-IT. Doch das ändert sich: Einem vielfältigen, digitalen Ökosystem gehört die Zukunft. Praxissoftwarelösungen, die in dieser neuen Welt gedeihen wollen, müssen sich öffnen.

Jetzt wird’s vielfältig

Was sich mit Termin-Tools und Videosprechstunden abzuzeichnen begann, ist eine komplexe Vielfalt digitaler Anwendungen, die Arztpraxen sich je nach Fachrichtung, Größe der eigenen Einrichtung und individuellem Bedarf oder Zusammensetzung des individuellen Patientenkollektivs zusammenstellen. Die Zeiten, in denen Praxissoftware, Terminplaner und allenfalls noch Digitalarchiv die einzigen IT-Lösungen waren, um die sich ein Praxis-Chef oder eine Praxis-Chefin Gedanken machen musste, sind vorbei. Zunehmend entsteht vielmehr etwas, das in IT-Kreisen gerne „digitales Ökosystem“ genannt wird: eine Art Landschaft aus teils hoch spezialisierten Anwendungen, die unterschiedlichste Funktionen erfüllen, welche im Idealfall gut zueinanderpassen und aufeinander abgestimmt sind.

Ein solches Ökosystem neuer Prägung geht über Terminbuchung und Telemedizinplattformen weit hinaus. Zunehmend drängen Messenger-Dienste in den Markt – medizinspezifische WhatsApp-Anwendungen für die Kommunikation mit Kolleginnen und Kollegen und/oder Patientinnen und Patienten, die speziell -gesichert sind und die bei entsprechender gematik-Zulassung auch in der Telematikinfrastruktur verwendet werden können. Famedly und Siilo sind die bei Ärztinnen und Ärzten bekanntesten Messenger. Es gibt außerdem Telekonsultations-Anwendungen für die innerärztliche Kommunikation. Im patientennahen Bereich erfreuen sich digitale Anamneseerhebung und Patientenaufklärungen zunehmender Beliebtheit, mit Anbietern wie Thieme Compliance, Nelly, Idana oder Athena. Digitales Impfmanagement ist ein weiteres Spezialthema, hier hat medatixx mit x.impfen einen Pfeil im Köcher. 

Diagnostiklösungen aller Art sind ebenfalls Teil des entstehenden Ökosystems. Zu nennen sind Laborportale, aber auch Medizintechniksoftware aller Art und IT-Plattformen im Kontext von Screening-Untersuchungen für den Point-of-Care- und/oder Heimgebrauch. Cerascreen wäre ein Beispiel. Apps und Plattformen für das kontinuierliche Glukose-Monitoring (CGM) sind in der Diabetologie weit verbreitet. Es gibt Praxen, die gleich drei oder vier CGM-Plattformen parallel nutzen oder nutzen müssen. 

Interview: „Wir sind insgesamt auf einem guten Weg“

Die KVWL treibt die Digitalisierung der ambulanten Medizin mit Verve voran – und fokussiert sich dabei insbesondere auf die digitale Transformation und deren Herausforderungen im alltäglichen Praxisbetrieb.

Hier geht's zum Interview.

Öffnung der IT-Systeme politisch erwünscht

Negativbeispiel Wechselschnittstelle

Im ambulanten Bereich gibt es bisher keine zu ISiK analogen gesetzlichen Regelungen. Das hat unter anderem damit zu tun, dass es ambulant (noch) mehr Instanzen gibt, die beim Thema Standards politisch mitreden wollen, unter anderem die Kassenärztlichen Vereinigungen mit ihren Tochterunternehmen. Das -geplante Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz (GDAG) zielte auch darauf ab, die Verantwortlichkeiten etwas besser zu sortieren. Aber es fiel dem vorzeitigen Ende der Ampelkoalition zum Opfer. 

Tatsächlich gab es 2020 im Rahmen des PDSG einen Versuch, Schnittstellen im ambulanten Sektor zu harmonisieren. Das Gesetz brachte damals nämlich auch die sogenannte Archiv- und Wechselschnittstelle (AWS oder AWST) ins SGB V. Diese Schnittstelle sollte den Wechsel von einer Praxissoftware zu einer anderen erleichtern. Sie wurde von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) spezifiziert und im Juni 2021 eingeführt, aber so gut wie nie genutzt, weil sie nicht zufriedenstellend funktioniert, wie selbst offizielle Gremien der gematik in umfassenden Analysen bestätigten.“

Diesmal soll es klappen

Trotz des Scheiterns der AWS(T) ist der Weg zu mehr Interoperabilität (auch) bei ambulanten IT-Systemen vorgezeichnet. International geht der Trend ohnehin in diese Richtung. Wer auch immer in einer neuen Bundesregierung im Bundesministerium für Gesundheit sitzen wird, wird die Stellung der gematik weiter festigen und das KIG weiter stärken. „Wenn wir jetzt mit unserer Schnittstelle vorlegen, dann tun wir das nicht, um Fakten zu schaffen oder um der Politik vorzugreifen“, so Schober. Es gehe vielmehr darum, sich mit Blick auf die regulatorischen Entwicklungen voranzutasten und nicht zuletzt Erfahrungen zu sammeln, die dann auch bei der Regulatorik helfen können: „Unsere Anwenderinnen und Anwender wollen innovative IT-Tools tief integriert in ihre Praxissoftware heute nutzen, nicht in ein paar Jahren. Wir wollen das möglich machen, und gleichzeitig arbeiten wir in den relevanten Gremien im Verband und bei der gematik mit, um ein einheitliches und abgestimmtes Vorgehen zu gewährleisten.“

So macht es medatixx

Das Unternehmen medatixx wird auf der IT-Messe DMEA 2025 in Berlin das Konzept hinter dem medatixx HealthHub vorstellen. Mit ihm wird medatixx eine universelle, herstellerunabhängige Standardschnittstelle für den Datenaustausch zwischen Praxissoftwarelösungen von medatixx einerseits und externen IT-Lösungen für Arztpraxen andererseits ermöglichen. IT-Hersteller, die Anwendungen entwickeln, welche Daten mit hauseigenen Praxissoftwarelösungen austauschen sollen, durchlaufen eine Art Akkreditierungsprozess und können ihre Anwendungen dann entsprechend anbinden.

In der konkreten Umsetzung wird der medatixx HealthHub eine Online-Anlaufstelle für Unternehmen sein, über die Spezifikationen der Schnittstellen sowie Infos zu Akkreditierung, Onboarding & Co. zugänglich sind. Für das Testen der Schnittstellen wird es entsprechende Testszenarien bzw. Testanwendungen geben. Erste Unternehmen, die im Rahmen des medatixx HealthHub mit dem Unternehmen zusammenarbeiten werden, sind bereits an Bord. Nicht zuletzt wird es der medatixx HealthHub auch großen Organisationsstrukturen im ambulanten Gesundheitswesen einfacher machen, für ihre Praxen oder Standorte attraktive digitale Pakete zu schnüren. 

Aus Sicht der Anwenderinnen und Anwender in den Praxen wird durch den medatixx HealthHub der digitale Nutzerkomfort deutlich steigen, weil immer mehr Anwendungen komfortabel mit der Praxissoftware verknüpft werden können. Dadurch, dass anzubindende Lösungen von medatixx akkreditiert werden müssen, wird außerdem gewährleistet, dass relevante Standards bei Datenschutz und Datensicherheit eingehalten werden. Darüber hinaus soll der medatixx HealthHub dabei helfen, sich einen Überblick über die verfügbaren IT-Tools für Arztpraxen zu verschaffen.


Der Artikel erschien erstmals am 25. März 2025 im x.press 25.2. 

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