Die digitalisierte Arztpraxis: Mehr Effizienz wagen

von Miriam Mirza
Manche Praxen sind in Sachen Digitalisierung schon sehr weit und profitieren von verschiedenen Anwendungen, etwa dem Online-Terminmanagement. Dieses erweist sich beispielsweise in den medizinischen Versorgungszentren (MVZ) der RHÖN-KLINIKUM AG als ein zentraler Aspekt der Digitalisierung. „Online-Termine haben ein großes Potenzial zur vereinfachten Terminfindung aus Patientensicht und Reduzierung von Telefonanrufen für unsere Mitarbeiter“, sagt Julian Schäfer, Teamleiter Medizinische Fachsysteme & eHealth der RHÖN-KLINIKUM IT Service GmbH.
Die Etablierung eines Online-Terminmanagement-Systems kann jedoch herausfordernd sein, wenn die bestehende Praxissoftware keine nahtlose Integration mit Online-Terminplanern ermöglicht. „Die meisten Praxissoftwarehersteller haben keine echte Integration von Terminplanern im Angebot“, erklärt Schäfer das Problem. In der Folge führt das dazu, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oft „zweigleisig“, also mit zwei Systemen, arbeiten. Das ist nicht nur umständlich, sondern führt bei der Übertragung von Informationen von einem ins andere System häufig zu Informationsverlust – zum Leidwesen des Praxisteams.
Um diese Hürde zu überwinden, wurde in einigen der MVZ der Kalender in der Praxissoftware deaktiviert und vollständig durch den Online-Terminkalender ersetzt. Dies führte wiederum zu Problemen, weil wichtige Funktionen und Informationen nicht mehr wie gewohnt zur Verfügung standen. Aus diesem Grund streben die Verantwortlichen bei RHÖN-KLINIKUM IT Service GmbH nun eine vollständige Integration an, bei der beide Systeme reibungslos zusammenarbeiten. Bis Ende des Jahres soll das passiert sein. Dazu sind Schäfer und sein Kollege Florian Liening-Ewert, IT-Projekt- und Applikationsbetreuer bei der RHÖN-KLINIKUM IT Service GmbH, im engen Austausch mit den Herstellern.
Auch in anderen Praxen hat sich das digitale Terminmanagement als besonders vorteilhaft herausgestellt. Für Dr. Matthias Hempel von der hausärztlich-internistischen Gemeinschaftspraxis HALEO markierte die Etablierung einer Online-Terminvergabe einen bedeutenden Schritt in Richtung mehr Effizienz im Arbeitsalltag. Die Praxis verwendet x.concept und x.webtermin. Patientinnen und Patienten können über die Praxis-Homepage oder Apps Termine buchen, eine Bestätigungs-E-Mail erhalten und den Termin direkt in ihren Smartphone-Kalender eintragen. „Das reduziert die Anzahl der Anrufe erheblich und spart uns viel Zeit“, stellt Hempel fest. „Die Patienten müssen nicht mehr in langen Warteschlangen hängen, sondern können bequem online ihre Termine verwalten.“
Hempels Praxis ist ein zertifiziertes Hypertoniezentrum und eine diabetologische Schwerpunktpraxis in Detmold. Sie besteht aktuell aus sieben Ärzten und insgesamt 32 nichtärztlichen Angestellten. Zum Team gehören nicht nur Medizinische Fachangestellte, sondern auch spezialisierte Kräfte wie Diabetesberaterinnen und Hypertonie-Assistentinnen. Zusätzlich werden Bürokräfte, die im Hintergrund die administrativen Aufgaben übernehmen, beschäftigt.

Telefonanlage mit künstlicher Intelligenz
Ein zusätzliches Feature, das Hempel in seiner Praxis nicht mehr missen möchte, ist die Implementierung von künstlicher Intelligenz (KI) im Telefonsystem. „Die KI-Telefonanlage hat unseren Arbeitsalltag revolutioniert“, erklärt Hempel. Die intelligente Lösung selektiert Anrufe nach Dringlichkeit, was bedeutet, dass Notfälle wie Herzschmerzen sofort priorisiert werden, während weniger dringende Anliegen, wie Rezeptbestellungen, entsprechend später bearbeitet werden können. „Dadurch können wir die Patienten besser versorgen und gleichzeitig Stoßzeiten abfangen. Die KI kann bis zu 15 Anrufe gleichzeitig annehmen, was eine enorme Entlastung für unsere Medizinischen Fachangestellten darstellt.“
In Zeiten von Fachkräftemangel und einer steigenden Bürokratie ist ihm jede Entlastung des Personals recht. Außerdem hat Hempel festgestellt, dass sich die fortgeschrittene Digitalisierung seiner Praxis bei der Suche nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als Pluspunkt erweist: „Heute können sich MFAs ihren Arbeitgeber aussuchen und mit einer veralteten Technik macht die Arbeit einfach weniger Spaß. Das spielt bei der Entscheidung für oder gegen einen Arbeitsplatz durchaus eine Rolle.“
Auch in Sachen Work-Life-Balance kann die Digitalisierung einen wertvollen Beitrag leisten, denn sie ermöglicht, dass Praxisteams flexibler arbeiten können. Durch die verschriftlichten Anrufe, die die KI erstellt, können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sogar im Homeoffice arbeiten. „Das schafft nicht nur Platz in der Praxis, sondern gibt unserem Team auch die Möglichkeit, flexibler zu sein“, sagt Hempel. „Das ist ein großer Vorteil, sowohl für uns als auch für die Patienten.“
Patientenorientierte Digitalisierung
Die RHÖN-KLINIKUM IT Service GmbH setzt in ihrer Digitalisierungsstrategie einen weiteren Schwerpunkt auf die Verbesserung der Patientenkommunikation und -betreuung. Liening-Ewert erläutert: „Wir arbeiten derzeit mit medatixx und einem anderen Hersteller unter anderem an einer Möglichkeit für Patienten, uns Dokumente und Informationen bereits vor dem Termin digital zu übermitteln.“
Die digitale Aufklärung und Einwilligungserklärung sind ebenfalls wichtige Bestandteile der digitalen Transformation. Schäfer erklärt: „Im klinischen Umfeld werden unsere Patienten bereits heute mit digitalen Behandlungsverträgen und Einwilligungsunterlagen papierlos administrativ aufgenommen, inklusive digitaler Unterschrift. Bei der Aufklärung erhalten sie außerdem die zu beantwortenden Fragen digital nach Hause, um optimal für das Aufklärungsgespräch vor Ort oder via Videokonferenz vorbereitet zu sein.“ Aktuell arbeitet das Unternehmen daran, diese Lösungen auch ambulanten Kolleginnen und Kollegen anzubieten, damit diese von den gleichen Vorteilen profitieren können. „All diese Prozesse erleichtern nicht nur die Vorbereitung auf medizinische Eingriffe, sondern reduzieren auch den Papierverbrauch und damit verbundene Kosten“, stellt Schäfer fest.
Durchdachter Implementierungsprozess
Doch wie stellt man als Praxisinhaber die Prozesse am besten digital um? Die technische Umsetzung selbst erlebt Hempel in der Regel als unkompliziert: „Die Herstellerfirma hat uns großartig unterstützt. Wir mussten kaum etwas unternehmen, da alles für uns erledigt wurde. Jetzt haben wir eine Webanwendung, welche die Anrufe nach Dringlichkeit und Anlass sortiert, und wir können diese dann effizient abarbeiten.“
Seit der Gründung der Praxis vor 15 Jahren hat das Team von HALEO stets versucht, digitale Hilfsmittel frühzeitig zu nutzen. „Wir digitalisieren aber nicht nur um der Digitalisierung willen, sondern suchen nach konkreten Vorteilen“, erklärt Hempel. Praxisinhaber müssen sich darüber im Klaren sein, dass eine gute Digitalisierung Kosten verursacht, weshalb eine klare Kosten-Nutzen-Rechnung unumgänglich ist. „Zeitersparnis ist der wichtigste Faktor, gefolgt von Kosteneinsparungen. Wir diskutieren im Team, ob ein neues Tool nützlich ist, und führen es nur ein, wenn es für uns einen konkreten Nutzen hat.“
So macht es medatixx
Digitalisierung
Mit den Praxissoftwarelösungen und Zusatzlösungen des Unternehmens medatixx können sowohl Arzt- als auch Psychotherapie-Praxen ihren Praxisalltag effizient gestalten. Die Praxissoftware medatixx ist eine Hybridlösung aus lokaler und cloudbasierter Datenhaltung mit modularem Aufbau, die inzwischen in über 5 000 Praxen im Einsatz ist. Erweitert werden können die Praxissoftwarelösungen von medatixx um verschiedene Zusatzlösungen aus den Bereichen Archivierung (x.archiv), Videosprechstunde (x.onvid) und Online-Terminmanagement (x.webtermin) sowie viele weitere Add-ons. Damit können Praxen ihre Prozesse weiter digitalisieren, die Patientenkommunikation verbessern sowie eine höhere Flexibilität und Zeitersparnis im Praxisalltag erreichen.
Change Management
Neben der Klärung von Kostenfragen ist zudem wichtig, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu überzeugen, die Veränderungen mitzutragen. Denn erfahrungsgemäß ist es der Faktor Mensch, der die Implementierung neuer Systeme verkomplizieren kann. „Man kann die beste Technik haben – wenn die Menschen, die damit arbeiten sollen, nicht mitziehen, wird es schwierig“, erklärt Liening-Ewert. Darum ist eine gute Vorbereitung des Teams wichtig. Dazu gehört auch das Wissen, dass möglicherweise anfangs nicht immer alles reibungslos laufen wird und technische Neuerungen vielleicht nachjustiert werden müssen. Langfristig aber überwiegen die Vorteile. Eine enge Zusammenarbeit und ein guter Support durch die Anbieter spielen ebenfalls eine wichtige Rolle, damit am Ende alle zufrieden sind.
Ein weiteres wesentliches Element für den Erfolg der digitalen Transformation ist die Zusammenarbeit im Team. Hempel setzt dafür auf Feedbackrunden. „Wir haben regelmäßige Teambesprechungen, in denen wir evaluieren, wie neue Tools funktionieren und ob sie die gewünschten Vorteile bringen“, erläutert er. „Es ist wichtig, dass das gesamte Team offen für Veränderungen ist und den Nutzen neuer Maßnahmen erkennt.“
Damit alle motiviert bleiben, betont Schäfer, brauche die Digitalisierung von Arztpraxen klare und vor allem erreichbare Ziele. Es sei entscheidend, mit kleinen, messbaren und erreichbaren Schritten zu beginnen und besonders jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzubeziehen, die die höchste Motivation haben. So vermeidet man das Risiko, sich in riesigen Zeitplänen zu verlieren. „Man sollte sich kurze und schnelle Erfolge mit solchen Leuten suchen, die Interesse haben. Die anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kann man später leichter überzeugen, denn dann entsteht häufig eine Art Veränderungsdruck von innen. So geht es deutlich einfacher“, erklärt der Teamleiter.
Dieses Vorgehen verhindert, sich durch überambitionierte Pläne selbst zu blockieren. Stattdessen setzt man realistische Etappenziele und nutzt die Motivation von engagierten Teammitgliedern. Auch wenn anfangs nur 70 Prozent eines Bereichs digitalisiert werden, können dabei parallel weitere Vorhaben umgesetzt werden. So beschleunigt sich der Gesamtprozess, da nicht unnötig Energie in Überzeugungsarbeit für weniger motivierte Personen gesteckt werden muss.
Info
Digitalisierung führt zu mehr Nachhaltigkeit
Umweltschutz
Eine digitalisierte Arztpraxis trägt wesentlich zur Nachhaltigkeit bei. So führt die Verwendung von elektronischen Gesundheitsakten, der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) oder dem eRezept zu weniger Ausdrucken in der Praxis. Die Folgen sind ein geringerer Verbrauch an Papier und Toner, verbunden mit einer Stromeinsparung und reduzierten Feinstaubemissionen.
Digitalisierung führt auch durch eingesparte Fahrten zur Praxis zu verringerten CO2-Emissionen, etwa bei Telekonsultationen, Online-Terminvereinbarungen oder dem eRezept. Zudem ermöglicht die digitale Archivierung eine platzsparende und umweltfreundliche Lagerung von Patientendaten. Die Integration von eRezepten und Online-Befundübermittlungen verringert die Notwendigkeit für physische Materialien und Postwege. So wird die Arztpraxis umweltfreundlicher und zugleich patientenfreundlicher.
Zukunftsperspektiven
Die Digitalisierung bringt viele Vorteile mit sich, aber auch Herausforderungen. Besonders im ambulanten Sektor sind die finanziellen Mittel oft begrenzt. Während Krankenhäuser häufig von großen Fördertöpfen profitieren, fehlt es in Arztpraxen an den notwendigen Investitionen für moderne digitale Lösungen. Dies führt dazu, dass manche Praxen veraltete Systeme wie Windows 7 oder XP nutzen, die seit Jahren nicht mehr unterstützt werden. Eine mögliche Lösung wäre ein finanzielles Förderprogramm für die Digitalisierung der Praxen nach dem Vorbild des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG), wie es die Kassenärztliche Bundesvereinigung bereits 2020 gefordert hat. Die Praxen könnten dann entscheiden, ob sie die projektebezogenen finanziellen Mittel beispielsweise für ein Online-Terminplanungssystem, digitale Aufklärungsbögen oder eine andere digitale Anwendung verwenden möchten. Neben den finanziellen Hürden gibt es auch personelle Herausforderungen. Insbesondere im ländlichen Raum ist es schwierig, medizinisches Fachpersonal zu finden, das bereit und fähig ist, digitale Lösungen zu implementieren und voranzutreiben.
Trotz dieser Probleme zeigt sich deutlich, dass die Digitalisierung nicht nur die Effizienz steigert, sondern auch die Qualität der Patientenversorgung verbessert. Durch den Einsatz moderner Technologien kann sichergestellt werden, dass sowohl Patientinnen und Patienten als auch das medizinische Personal von den Vorteilen digitaler Systeme profitieren. Die Zukunft liegt in der Integration und kontinuierlichen Verbesserung dieser Systeme, um den bestmöglichen Service zu bieten und den Arbeitsalltag in Arztpraxen zu erleichtern.
Die Digitalisierung in Arztpraxen ist ein fortlaufender Prozess, der sowohl Herausforderungen als auch immense Chancen bietet. Mit der richtigen Strategie und den notwendigen Investitionen kann sie jedoch zu einer signifikanten Verbesserung der Patientenversorgung und der Arbeitsbedingungen für das medizinische Personal führen. „Die Zukunft der medizinischen Versorgung ist digital, und wir sind bereit, diesen Weg zu gehen“, fasst Schäfer zusammen.
Der Artikel erschien erstmals am 16. September 2024 im x.press 24.4.