ePA-Rollout 2025: Wie weit sind wir?

Von Miriam Mirza
Seit dem 15. Januar 2025 wird die elektronische Patientenakte (ePA) für alle gesetzlich Versicherten schrittweise eingeführt – zunächst in Modellregionen, seit Ende April dann auf der Basis von Freiwilligkeit bundesweit. Was in der politischen Kommunikation nach dem großen Wurf klingt, zeigt sich in der Versorgungspraxis oft komplizierter: Technische Hürden, offene Rechtsfragen und hohe Erwartungen treffen auf ein System im Aufbau.
Die ePA entsteht
Mit dem Digital-Gesetz (DigiG) und dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) wurden Anfang 2024 zentrale gesetzliche Grundlagen für die ePA weiterentwickelt. Besonders relevant: Seit dem 15. Januar 2025 ist die elektronische Patientenakte für gesetzlich Versicherte standardmäßig aktiviert. Das sogenannte Opt-out-Verfahren ist nun rechtsgültig. Das bedeutet: Wer nicht aktiv widerspricht, besitzt automatisch eine ePA. Damit wurde die größte Hürde für eine flächendeckende Verbreitung genommen. Die Verantwortung, die Akte mit Inhalten zu füllen, liegt nun bei den Ärztinnen und Ärzten und den Patientinnen und Patienten selbst. Im ersten Schritt enhält die Akte die elektronische Medikationsliste (eML) mit strukturierten, sich aus den eRezepten ergebenden Daten, und weitere Dokumente in definierten Formaten. Derzeit werden andere Inhalte in der Akte überwiegend als PDFs bereitgestellt; perspektivisch sollen zunehmend strukturierte Inhalte ergänzt werden, zum Beispiel ein elektronischer Medikationsplan (eMP) als Ergebnis des digital gestützten Medikationsprozesses (dgMP) oder auch die elektronische Patientenkurzakte. Ab dem 1. Oktober 2025 besteht nach der Übergangszeit nun die Pflicht für alle Praxen und Kliniken, die ePA in ihrem Versorgungsalltag zu nutzen.
Mit der Einführung des Opt-out-Verfahrens wurden zugleich die Zugriffsrechte vereinfacht: Patientinnen und Patienten müssen nicht mehr jedes einzelne Dokument freigeben, sondern können über eine zentrale Freigabesteuerung Ärztinnen, Ärzten oder medizinischen Einrichtungen Zugang gewähren: das geht einmalig oder dauerhaft. Geplant ist außerdem, dass die Versicherten in Zukunft auch entscheiden können, ob sie ihre Daten pseudonymisiert für die Forschung zur Verfügung stellen möchten.
Modellregionen liefern erste Erkenntnisse
In den beiden gematik-Modellregionen Hamburg und Franken sowie in den KV-Testregionen Nordrhein und Westfalen-Lippe startete die ePA bereits Mitte Januar 2025. Hier wurden knapp 300 Zahnarztpraxen, Praxen, Apotheken und Krankenhäuser frühzeitig eingebunden, um Abläufe zu erproben. „Aus den Rückmeldungen unserer Mitglieder wissen wir, dass die technische Umsetzung der ePA insbesondere zu Beginn herausfordernd war“, sagt Caroline Roos, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KV Hamburg. Inzwischen habe sich gezeigt, dass die Performance spürbar besser sei als zum Start – auch wenn die technische Stabilität punktuell noch optimierungsbedürftig sei. Zudem variiere, so Roos, die Umsetzungsqualität der Praxissoftwarehersteller. Eine im März 2025 durchgeführte Erhebung der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg unter
27 Arzt- und Psychotherapiepraxen sowie einer Klinik zeigt: Die ePA-Pilotphase wird von vielen Beteiligten grundsätzlich positiv aufgenommen. 68 Prozent der Befragten würden die elektronische Patientenakte weiterempfehlen, allerdings unter der Voraussetzung, dass sie zuverlässig funktioniert. Die hohe Bereitschaft zur Nutzung unterstreicht das grundsätzliche Vertrauen in das Potenzial der ePA als nutzenstiftendes Versorgungsinstrument.
Zugleich wurden konkrete Herausforderungen benannt, insbesondere in Bezug auf die technische Stabilität und den Bedienkomfort. Mehr als 80 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sprachen sich daher zum Zeitpunkt der Befragung gegen eine verpflichtende Einführung ab April 2025 aus, da sie die ePA noch nicht als ausreichend ausgereift wahrnahmen. Zehn Wochen nach Beginn der Pilotierung gaben 43 Prozent an, die ePA noch nicht getestet zu haben oder auf Nutzungsprobleme gestoßen zu sein.
Positiv wahrgenommen und dementsprechend hervorgehoben wurde insbesondere die elektronische Medikationsliste (eML). Als zentrale Weiterentwicklungsfelder nannten die Befragten unter anderem die Upload-Geschwindigkeit, die Usability im Metadatenmanagement und den Wunsch nach noch mehr Transparenz in der Kommunikation zwischen Systemanbietern, Krankenkassen und Ärztinnen und Ärzten.
Die KV Hamburg plädierte auf Grundlage dieser Ergebnisse für einen gestuften Hochlauf der ePA-Nutzung. Ziel müsse es sein, den regulären Start zum 1. Oktober 2025 mit ausreichend getesteten, praxistauglichen Anwendungen zu begleiten. Ein zentrales Anliegen ist dabei, Rückmeldungen aus dem Versorgungsalltag zügig in funktionale Verbesserungen zu überführen. Das ist eine Aufgabe, bei der die Praxissoftwarehersteller eine entscheidende Rolle spielen, denn damit ergibt sich die Chance, die ePA Schritt für Schritt zu einem echten Instrument für eine moderne, sektorenübergreifende Versorgung zu entwickeln.
Interview: „Technische Verfügbarkeit allein reicht nicht aus.“
Wie weit ist die elektronische Patientenakte (ePA) tatsächlich? Und was braucht es, damit sie im Versorgungsalltag wirkt? Dr. Philipp Stachwitz berichtet im Interview über technische Hürden, positive Beispiele und die Notwendigkeit einer neuen Haltung zur Digitalisierung.
Anwenderfeedback als Erfolgsfaktor
Trotz der rechtlichen Rahmenbedingungen und des Pilotcharakters in den Modellregionen zeigt sich, dass viele Praxen im Alltag noch vor Herausforderungen stehen. Ärztinnen und Ärzte sowie medizinisches Fachpersonal berichteten über uninformierte Patienten, komplexe Bedienprozesse, punktuell verzögerte Abläufe durch den Dokumentenupload oder eigene Unsicherheiten bei der Handhabung und der rechtlichen Bewertung. Hier wird deutlich: Eine gute Ergonomie, aufgeklärte Patienten und Schulungen sind wichtige Bausteine für die Akzeptanz und Wirksamkeit der ePA.
Eine Zwischenbefragung der KV Hamburg vom 20. Juni 2025 macht deutlich, dass es für eine flächendeckende Umsetzung auf einen störungsfreien Betrieb und eine positive Alltagserfahrung ankommt. Auch aus Patientensicht besteht noch Potenzial zur Steigerung der Relevanz. Derzeit fehlt es vielfach noch an Patienten mit Zugängen zu ihrer ePA und gezielter Aufklärung. Das markiert einen Punkt, bei dem Krankenkassen in der Verantwortung stehen, ihr Informationsangebot auszubauen und die Zugänge ihrer Mitglieder zur ePA niedrigschwelliger zu gestalten.

Entscheidend ist der Datenschutz
Von Patientinnen und Patienten wird die ePA bislang nur zögerlich angenommen. Trotz Opt-out haben viele Versicherte noch keinen Zugang zu ihrer ePA und keine konkreten Vorstellungen von Inhalt und Nutzen der Akte. An dieser Stelle kann gezielte Aufklärung viel bewirken, besonders ältere oder weniger technikaffine Menschen benötigen verständliche Informationen. Einige Krankenkassen setzen auf digitale Lotsen, die Patientinnen und Patienten bei der Nutzung unterstützen. Diese Angebote sind jedoch nicht flächendeckend etabliert.
Ein sensibler Punkt ist der Umgang mit ePA-Daten bei Minderjährigen. Zunächst fehlten klare Regelungen, wie Gesundheitsdaten von Kindern und Jugendlichen in der ePA verwaltet werden – besonders für den Fall, dass Eltern getrennt leben oder im Kinderschutzkontext. Hier stellten sich noch Fragen wie: Wer hat Zugriff? Wie wird dokumentiert? Wer hat Einsicht genommen? Wie können Kinder altersgerecht eingebunden werden? Seit April gibt es nun dazu eine mit dem Bundesgesundheitsministerium abgestimmte KBV-Richtlinie. Demnach sind Ärztinnen und Ärzte nicht verpflichtet, Informationen in der ePA zu dokumentieren, sofern dem erhebliche therapeutische Gründe entgegenstehen und dadurch das Kindeswohl gefährdet oder der wirksame Schutz des Kindes oder Jugendlichen beeinträchtigt werden könnte. Wenn der oder die Jugendliche das 15. Lebensjahr vollendet, kann er oder sie eigenverantwortlich über die Nutzung und den Inhalt der ePA entscheiden.
Eine wichtige Rolle im weiteren Rollout könnten auch digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) spielen. Noch sind nur wenige DiGA-Hersteller an die Telematikinfrastruktur angebunden. Diese sind jedoch gesetzlich verpflichtet, strukturierte Nutzungsdaten aus ihren Apps in die ePA übertragen zu können. Ein Beispiel zeigt den potenziellen Mehrwert solcher Anwendungen: Wenn ein Hausarzt eine Adipositas-DiGA nutzt, in der seine Patientinnen und Patienten etwa Informationen zu Mahlzeiten hochladen, könnten diese Verlaufsdaten direkt in der ePA erscheinen. Das würde die Nachverfolgung erleichtern, Wege sparen und eine konkrete Beratung, zum Beispiel per Videosprechstunde, ermöglichen. Allerdings sind viele Prozesse wie die Einrichtung der GesundheitsID weiterhin komplex und wirken demzufolge abschreckend. Um die Daten aus der DiGA tatsächlich in die ePA übertragen zu können, müssen Patientinnen und Patienten zunächst eine GesundheitsID, eine Art digitaler Ausweis, mit dem sie sich sicher im Gesundheitswesen identifizieren, einrichten. Dieser Schritt ist derzeit noch aufwendig und stellt damit eine Hürde für die praktische Nutzung dar.
Aktuelle Zahlen und Einschätzungen
Nadja Heinemann, Referentin Kommunikation der gematik, sieht dennoch Fortschritte: „Die Nutzung der ePA nimmt kontinuierlich zu. Wir sind also auf einem guten Weg, dass die ePA – wie das eRezept – ein fester Bestandteil des Versorgungsalltags in Deutschland wird.“
Laut gematik wurden allein in den drei Wochen nach dem Start der bundesweiten Einführung rund 74 Millionen ePA-Dokumente in medizinischen Einrichtungen geöffnet. „Zu Spitzenzeiten verzeichnen wir bis zu sechs Millionen Zugriffe täglich“, so Heinemann. Besonders häufig genutzt wird die elektronische Medikationsliste (eML), die in drei Wochen rund 22 Millionen Mal aufgerufen wurde. Heinemann erklärt: „Praxen und Apotheken erleben sie als echten Mehrwert für die Behandlung.“
Auch die Widerspruchsquote bleibt mit durchschnittlich fünf Prozent auf niedrigem Niveau. Regionale Auswertungen liegen nicht vor, doch das TI-Dashboard der gematik zeigt kontinuierlich aktualisierte Nutzungszahlen. Die gematik setzt zudem auf Begleitmaßnahmen wie Webinare und Software-Updates in Zusammenarbeit mit den Praxissoftwareherstellern, um den Hochlauf weiter zu unterstützen. „Wie bei allen großen Digitalisierungsprojekten braucht es ein gemeinschaftliches Vorantreiben und Zeit“, gibt die gematik-Mitarbeiterin zu bedenken.
Der Erfolg der ePA wird sich nicht allein an technischen Kennzahlen messen lassen, sondern an der Frage, ob sie im Versorgungsalltag spürbare Erleichterung bringt. Entscheidend ist, dass das Vertrauen in das System durch sichtbaren Nutzen, Verlässlichkeit im Alltag und eine enge Begleitung aller Beteiligten auf dem Weg wächst. Dafür braucht es auch das Vertrauen in die Technik, in die Prozesse und in den Umgang mit sensiblen Daten. Der Aufbau dieses Vertrauens gelingt nicht von heute auf morgen. Doch die Richtung stimmt.
So macht es medatixx
Die elektronische Patientenakte wurde bereits vor dem bundesweiten Rollout in alle medatixx-Praxissoftwarelösungen integriert. Durch die Entscheidung, die elektronische Medikationsliste (eML) nativ auf Basis des FHIR-Profils und nicht nur als PDF zu integrieren, ist es für medatixx-Praxen möglich, die Medikationsdaten aus der ePA aktiv weiter zu nutzen. Die Funktionen der ePA sind für alle Anwenderinnen und Anwender im Rahmen der monatlichen Softwarepflege ohne Zusatzkosten enthalten.
Grundlegendes Wissen zur ePA für alle bietet dip, das Infoportal zur Digitalisierung in der Praxis. Die E-Learnings der medatixx-akademie zeigen die ePA-Umsetzung in den hauseigenen Praxissoftwarelösungen. Mit meet medatixx führt das Unternehmen zudem mehrere digitale Anwendertreffen durch, in denen erklärt wird, wie die ePA für alle in den jeweiligen Praxissoftwarelösungen genutzt wird. Damit bereitet der Praxissoftware-Anbieter seine Anwenderinnen und Anwender auf die verpflichtende Nutzung ab dem 1. Oktober vor.
Der Artikel erschien erstmals am 23. September 2025 im x.press 25.4.