Interview: „Technische Verfügbarkeit allein reicht nicht aus.“

Wie ist Ihre aktuelle Einschätzung zum Stand der ePA?
Wir sehen eine spürbare Dynamik. Die Zahl der Transaktionen steigt, viele Praxen haben mittlerweile Erfahrungen mit der ePA gesammelt. Technisch betrachtet ist der Anschluss häufig gegeben – das war in dieser Breite vor zwei Jahren noch nicht denkbar. Gleichzeitig sehen wir, dass sich der Nutzen in der Behandlungspraxis noch nicht durchgängig zeigt. Es gibt Praxen, die Inhalte einstellen, aber kaum welche, die davon im Alltag profitieren. Der Netzwerk-Effekt fehlt und damit auch der Schritt von der Infrastruktur zur tatsächlichen Versorgung.
Es gibt erste Rückmeldungen aus den Modellregionen. Wie bewerten Sie deren Erfahrungen?
Die Modellregionen geben wichtige Hinweise. Die teilnehmenden Praxen waren überwiegend technikaffin – also tendenziell aufgeschlossen gegenüber digitalen Anwendungen. Selbst dort zeigt sich aber: Etwa ein Fünftel der Nutzerinnen und Nutzer hat mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Und das sind eben nicht die skeptischen, sondern die engagierten Anwenderinnen und Anwender. Auch unter den positiv gestimmten Praxen gibt es Kritik. Probleme beim Hochladen von Dokumenten, bei der Strukturierung der Metadaten oder beim Zugriff auf Informationen sind keine Ausnahmen. Diese Erfahrungen müssen ernst genommen werden.
Was heißt das für den nächsten Schritt?
Wir müssen weiter an der Alltagstauglichkeit arbeiten. Die technische Verfügbarkeit allein reicht nicht. Entscheidend ist, wie gut die ePA in die gewachsenen Prozesse der Praxen integriert ist und wie einfach sie sich bedienen lässt. Und ob sie das Arbeiten erleichtert oder eher behindert.
Wo sehen Sie gerade die größten Herausforderungen?
Ein zentraler Punkt ist die Integration in die Praxisverwaltungssysteme. Dort entscheidet sich, ob Ärztinnen und Ärzte die ePA im Alltag nutzen oder umgehen. Wenn Abläufe kompliziert, verschachtelt oder fehleranfällig sind, führt das zu Frustration. Ein Beispiel: Viele Anwendungen werden nicht direkt von den Ärztinnen und Ärzten, sondern von den Medizinischen Fachangestellten genutzt. Wenn diese den Mehrwert nicht spüren, kommt das System im Team nicht an.
„Digitalisierung ist ein Prozess, bei dem nicht alles sofort funktioniert.“
Was müsste sich strukturell verändern, damit diese Beispiele Schule machen?
Wir brauchen einen besseren Zugang zu moderner IT. Viele Systeme in Praxen sind veraltet. Ein echter Wechsel ist oft mit hohen Kosten und Risiken verbunden. Hier sind auch die Hersteller gefragt. Zugleich fordern wir – analog zum Krankenhauszukunftsgesetz – ein Praxiszukunftsprogramm. Wenn wir im stationären Bereich Milliarden investieren, müssen wir auch den ambulanten Sektor stärken.
Gibt es Funktionen, bei denen Sie sagen: Das darf nicht länger warten?
Unbedingt. Die elektronische Verordnung von Betäubungsmitteln zum Beispiel. Dass diese Medikamente nicht digital verschrieben werden können, ist aus Versorgungssicht schwer nachvollziehbar. Gerade hier bräuchten wir mehr Transparenz, Dokumentation und Sicherheit. Stattdessen gibt es immer neue Verzögerungen. Das schadet dem Vertrauen.
Welche Rolle übernimmt die KBV in diesem Prozess?
Wir wollen mitgestalten. Nicht nur kritisieren, sondern Impulse setzen. Unser Ziel ist es, Ärztinnen und Ärzte dabei zu unterstützen, mit guten digitalen Werkzeugen zu arbeiten, ohne sich selbst zu IT-Spezialisten ausbilden lassen zu müssen. Es geht um Verlässlichkeit, Einfachheit und Passung in den Arbeitsalltag.
Der Artikel erschien erstmals am 23. September 2025 im x.press 25.4.
Hier geht’s zum dazugehörigen Artikel aus dem aktuellen x.press.
Hier können Sie sich die gesamte x.press-Ausgabe 25.4 herunterladen.