Interview: Ohne Videosprechstunde geht es nicht mehr

Dr. Cordula Sohst-Brennenstuhl ist Fachärztin für Allgemeinmedizin und hat eine Praxis in Hamburg. Sie nutzt die Videosprechstunde seit der Pandemie und will sie nicht mehr missen. Im Gespräch erklärt sie, warum die Technologie ihren Arbeitsalltag erleichtert und was es dabei aus Ärztesicht zu beachten gilt.

Warum haben Sie ursprünglich mit der Videosprechstunde begonnen?

Wir haben tatsächlich mit dem allerersten Tag des Lockdowns angefangen, das war im März 2020. Anfangs war das wirklich eine Notlösung, weil wir schlichtweg keine andere Möglichkeit hatten, infektiöse Patientinnen und Patienten sicher zu behandeln. In unserer Praxis war plötzlich viel Unsicherheit: Wie schützen wir uns selbst? Wie schützen wir die anderen Patientinnen und Patienten? Die Videosprechstunde war damals eine pragmatische Entscheidung – und zwar ohne große Planung oder Vorbereitung. Dass sich daraus langfristig ein so wichtiges und inzwischen unverzichtbares Angebot entwickeln würde, hätten wir damals nicht gedacht.

Wie organisieren Sie die Videosprechstunde im Praxisalltag?

Wir bündeln unsere Videosprechstunden in festgelegten Blöcken ab 13 Uhr. Das erlaubt eine bessere Planung und verhindert Chaos im Praxisbetrieb. 

Wie reagieren Ihre Patientinnen und Patienten auf die Videosprechstunde?

Die Reaktion war von Anfang an positiv. Gerade jüngere Patientinnen und Patienten oder Familien mit kleinen Kindern waren sofort begeistert. Ich höre immer wieder von berufstätigen Eltern, dass es ihnen viel Stress erspart, wenn sie nicht für jeden kleinen Infekt ihre Kinder wegorganisieren oder allein lassen müssen, um in die Praxis zu kommen. Natürlich gibt es auch mal technische Unsicherheiten. Manchen Menschen muss man erklären, wie es funktioniert, aber die meisten Berufstätigen kennen das Prinzip aus ihrem Arbeitsalltag. Insgesamt wurde es schnell selbstverständlich. Heute nutzen es sogar ältere Patientinnen und Patienten, die anfangs etwas skeptisch waren, aber inzwischen gerne online zu uns kommen, weil sie nicht extra den weiten Weg auf sich nehmen müssen.

Wie haben Sie persönlich diese Umstellung erlebt?

Ehrlich gesagt war ich selbst am Anfang skeptisch. Ich dachte: Wie soll das funktionieren, ohne die Patientinnen und Patienten richtig untersuchen zu können? Aber ich wurde positiv überrascht. Durch intensive Kommunikation und eine gute Vorbereitung meiner Mitarbeiterinnen hat sich gezeigt, dass man auch virtuell eine qualitativ hochwertige Behandlung gewährleisten kann. Ich habe festgestellt, dass Patientinnen und Patienten in der Videosprechstunde oft sehr gut vorbereitet sind. Inzwischen gehört die Telemedizin für mich fest dazu, ohne würde es nicht mehr gehen.

Und wie schwierig war die technische Umsetzung in Ihrer Praxis?

Überraschend einfach. Unsere Praxissoftware-Anbieter haben die Umsetzung schnell und unkompliziert möglich gemacht. Der Aufwand war minimal, und heute ist die Videosprechstunde ein fester Bestandteil unseres Arbeitsalltags.

In welchen Fällen bevorzugen Sie einen Präsenztermin?

Wenn jemand mit hohem Fieber oder sehr starken Schmerzen kommt, will ich diese Person direkt vor mir sitzen haben, um nichts zu übersehen. Außerdem eignet sich die Videosprechstunde nicht, wenn ich eine körperliche Untersuchung, etwa ein Abhören oder Abtasten, zwingend brauche. Aber viele Termine, gerade Verlaufsbeobachtungen, Medikamentenanpassungen oder kleinere Anliegen, lassen sich sehr gut digital lösen.

Gibt es etwas, was Sie an der Videosprechstunde besonders schätzen?

Ja, definitiv die Zeiteinsparung und Flexibilität – für uns als Praxisteam, aber auch für die Patientinnen und Patienten. Es entzerrt den Tag, weil wir die Termine besser planen können und nicht ständig das Wartezimmer überfüllt ist. Und für Patientinnen und Patienten bedeutet es, dass sie nicht aus ihrem Alltag herausgerissen werden – ich habe Leute, die ihre Termine bequem aus dem Homeoffice wahrnehmen, oder Eltern, die nebenbei ihre Kinder betreuen können.

Wie sieht der Ablauf einer Videosprechstunde konkret bei Ihnen aus?

Wir nutzen ein ganz einfaches und sicheres System, das gut in unsere Praxissoftware integriert ist. Die Patientinnen und Patienten buchen ihre Termine online. Mein Team holt schon vorab erste wichtige Informationen ein – viele Patientinnen und Patienten liefern sie inzwischen selbst bereits mit. So ist quasi alles vorbereitet. Ich kann mich dann ganz auf Anamnese, Beratung und Diagnose konzentrieren. Das ist ein großer Vorteil und viele Termine dauern nicht länger als zehn Minuten, viel kürzer als in der Präsenzsprechstunde.

Welche Rolle spielt die Videosprechstunde heute in Ihrer Praxis?

Ohne geht es inzwischen nicht mehr. Sie hat sich als Ergänzung etabliert, ersetzt aber keinesfalls die Präsenzsprechstunde. Es geht darum, das Beste aus beiden Welten zu verbinden und Patientinnen und Patienten individuell das passende Angebot zu machen. Ich finde, wir sollten alle Vorteile der modernen Technologien nutzen, um die Menschen gut zu versorgen.

Würden Sie anderen Praxen empfehlen, mehr auf die Videosprechstunde zu setzen?

Auf jeden Fall. Mein Rat an alle Kolleginnen und Kollegen: „Einfach machen!“ – Nur wer sich darauf einlässt, wird sehen, wie effektiv und hilfreich dieses Instrument im Alltag ist.