Interview: „Sommer Herbst 2025 kommt die große ePA-Welle“

Medizinische IT-Systeme sollen Daten besser austauschen können. Bei der gematik – künftig „Digitalagentur für Gesundheit“ – steht dafür Stefan Höcherl, der den Bereich Strategie und Standards leitet.

Stefan Höcherl leitet die bei der gematik angesiedelte Koordinierungsstelle Interoperabilität und verantwortet aktuell deren Transformation in ein neues Kompetenzzentrum für Interoperabilität im Gesundheitswesen (KIG).

Die Themen Interoperabilität und Standards wurden bei der gematik noch unter Jens Spahn neu aufgesetzt. Wie ist der Stand? 

Wir sind sehr zufrieden mit den ersten Themen, die wir im Zusammenspiel mit dem Interop Council und vielen weiteren Expertinnen und Experten abgearbeitet haben. Beim Medikationsprozess haben wir zum ersten Mal ein großes Standardisierungsthema sektorenverbindend und interdisziplinär erarbeitet. Die Ergebnisse konnten wir dann gleich in die fachliche Konzeptionsarbeit der neuen elektronischen Patientenakte, der ePA für alle, einfließen lassen. Das war ein extrem schönes Erlebnis für uns: zu sehen, wie das, was wir da in großen Runden mit vielen Beteiligten abgestimmt haben, in eine Anwendungsspezifikation einfließt.

Mit Karl Lauterbachs Digital-Gesetz wurde aus der bisherigen „Koordinierungsstelle für 

Interoperabilität“ das „Kompetenzzentrum für Interoperabilität im Gesundheitswesen“ oder „KIG“. Was hat sich dadurch geändert?

Ein wichtiges Potenzialfeld bei einer kürzlichen Evaluation unserer Arbeit waren die Verbindlichkeit und die Implementierung von Standards. Es ist ja niemandem geholfen, wenn wir nur Standards definieren, die dann aber nicht oder nur sehr langsam in der Versorgung ankommen. Durch das Digital-Gesetz haben wir die Möglichkeit bekommen, selbst in die Spezifikationsarbeit zu gehen oder andere zu beauftragen. Wir agieren also nicht mehr nur als reiner Moderator. Die zweite Neuerung betrifft die Qualität von Standards: Dafür können wir künftig verbindliche Qualitätskriterien festsetzen, die wir dann auch überprüfen werden. Die dritte Neuerung ist die Konformitätsbewertung: Wir überprüfen die Implementierung der Standards in den IT-Systemen. Insgesamt geht es bei den Neuerungen darum, die Umsetzung in den IT-Systemen zu verbessern – und auch darum, etwas mehr Dynamik zu erzeugen.

 

„Die Umsetzung in den IT-Systemen verbessern - und etwas mehr Dynamik erzeugen.“

Der Frust über entweder nicht vorhandene oder extrem teure Schnittstellen zu anderen IT-Systemen sitzt im Gesundheitswesen ziemlich tief. Wie können Tools wie Konformitätsbewertung und Qualitätssiegel hier konkret Abhilfe schaffen?

Die Idee hinter der Konformitätsbewertung ist, dass es bei einem neu definierten Standard einen Umsetzungszeitraum gibt, innerhalb dessen mit einem Zertifikat verbindlich nachgewiesen werden muss, dass das betreffende Produkt bestimmte Qualitätskriterien hinsichtlich der verwendeten Standards auch wirklich erfüllt und die Spezifikation damit auch entsprechend umgesetzt worden ist. Dieses Zertifikat wird dann die notwendige Grundlage sein für eine Erstattung im GKV-System. Bereits heute können nur solche Systeme für die Abrechnung genutzt werden, die gesetzliche Anforderungen erfüllen – das Interoperabilitäts-Zertifikat setzt darauf auf. Das ist ein ziemlich kräftiger Hebel, zumal Anbieter, die die entsprechenden Zertifikate haben, das auch in den Markt kommunizieren werden. Wir werden als gematik zu dieser Sichtbarkeit beitragen, indem wir zentral auf unserer Website INA (ina.gematik.de) darüber informieren, welche Systeme entsprechend zertifiziert sind. Zusätzlich schafft das Digital-Gesetz einen neuen Verbindlichkeitsmechanismus, der es Anbietern ermöglicht, gegen solche Mitstreiter vorzugehen, die Systeme auf dem Markt halten oder in den Markt bringen möchten, die nicht den verbindlichen Anforderungen entsprechen. Ich denke schon, dass dieses Gesamtpaket in den nächsten Jahren eine positive Wirkung erzielen wird.

Für die ambulante Versorgungswelt relevant wird das bei der elektronischen Patientenakte, die ab 2025 eingeführt wird. Wie läuft das hier genau ab? 

Bei der ePA ist der Aufbau der Konformitätsbewertung eine unserer Hauptaufgaben. Das werden wir in Kürze allen Anbietern von IT-Systemen im Gesundheitswesen bereitstellen können. So können wir sicherstellen, dass zum Beispiel die Praxisverwaltungssysteme hinsichtlich der Grundfunktionalitäten der ePA, einschließlich der elektronischen Medikationsliste (eML), interoperabel sind und diese bedienen können. Wir werden die Konformitätsbewertung so anbieten, dass ab dem 15. Januar 2025 sichtbar ist, welche Primärsysteme die ePA für alle einschließlich der eML konform bedienen können. Im Sommer 2025 wird es dann mit der ePA 3.1 weitere Schritte in Richtung Medikationsplan und AMTS geben. Das dürfte für weitere Dynamik sorgen. Ich glaube, dass Richtung Sommer/Herbst 2025 die große ePA-Welle in der Versorgung ankommt.

Politisch komplettiert derzeit das GDAG die digitalmedizinische Gesetzgebung der Ampelkoalition. Das GDAG überführt die gematik in eine Digitalagentur, aber unabhängig davon: Wo gibt es Impulse für Ihren Bereich, die Interoperabilität?

Es ist erfreulich zu sehen, dass Interoperabilität weiter gestärkt wird und in den Fokus rückt. Das Gesetzgebungsverfahren läuft aktuell ja noch. Hier warten wir den Abschluss ab, eine Einordnung wird zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden. Vielen Dank für Ihr Verständnis.